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In-Car-Payment: Wenn das Auto selbst zahlt

Beim Gedanken an das Auto der Zukunft denken die meisten wahrscheinlich in erster Linie an klimafreundliche E-Antriebe. Vielleicht auch an autonome Fahrzeuge. An das Auto als E-Commerce-Plattform vermutlich seltener. Doch dank In-Car-Payment wird das Fahrzeug auch zur Transaktionsplattform, vielleicht auch zu einem Wallet.

von Maik Klotz, 03.01.2023
4 Min

Die vielen monetären Transaktionen rund um das Auto sind so tief im Alltag verankert, dass kaum jemand so richtig darüber nachdenkt. Erst wenn es lästig wird, weil der Parkautomat leider keine Kartenzahlung akzeptiert und die Suche nach Kleingeld losgeht. Eine typische Situation, die In-Car-Payment damit lösen will, dass das Auto selbst die fälligen Gebühren entrichtet. Aber die Konzepte, an denen einige Unternehmen arbeiten, gehen weit über Parkplatzgebühren hinaus. 

Was meint In-Car-Payment eigentlich?

Der Begriff In-Car-Payment fasst verschiedene Konzepte zusammen, deren Gemeinsamkeit darin liegt, dass eine Zahlung direkt aus dem Inneren des Fahrzeugs heraus erfolgt. Diese kann, muss aber nicht durch den Fahrer initiiert werden. Wer über In-Car-Payment spricht, meint häufig die direkte Abwicklung von Zahlungen zwischen zwei technischen Systemen, also Machine-to-Machine-Payments (M2M-Payment).

Typische Anwendungsszenarien für In-Car-Payment

Für das In-Car-Payment gibt es bereits eine Reihe von ganz offensichtlichen Anwendungsszenarien und Use Cases:

Entrichtung von Parkplatzgebühren: sicherlich eines der naheliegendsten Szenarien. Es funktioniert ähnlich wie das kontaktlose Bezahlen. Beim Verlassen des Parkplatzes wird die Zahlung automatisch ausgelöst, respektive auf dem Armaturenbrett den Fahrer:innen zur Autorisierung vorgelegt. 

  • Kontaktlos (Strom) Tanken: Auch an der Zapf- oder Ladesäule könnte das In-Car-Payment die Sache viel komfortabler machen. 

  • Mautzahlungen: Kostenpflichtige Straßen- oder Brückennutzungen sind in Deutschland ja die Ausnahme. Im Ausland sieht das schon anders aus. Und auch hier ist eine Transaktion nötig, die vom Auto erledigt werden könnte.

Ist im Fahrzeug erst einmal eine direkte Bezahlmöglichkeit integriert, ergeben sich aus Sicht der Hersteller und Service-Anbieter zusätzliche Optionen zur Monetarisierung von Angeboten und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Ob das letztlich den Fahrer:innen gefallen wird, ist eine ganz andere Frage. Auf jeden Fall kann In-Car-Payment die Grundlage für „Pay-per-Use“-Dienste bilden. Ideen gibt es schon, zum Beispiel:

  • Freischaltung von Zusatzfunktionen innerhalb des Fahrzeugs, etwa Dinge, die vorher als einmaliges „Extra“ gekauft wurden.

  • Buchung von Infotainment-Paketen, wie bei Streaming-Diensten im Internet.

  • Upgrades von Kartenmaterial für die Navigation oder einfache Zubuchung eines Navigationssystems für einzelne Fahrten.

Autofahren kann also teurer werden (oder preiswerter, wenn verschiedene Dinge nur noch während der Nutzung zu bezahlen sind). Und wenn das Auto sozusagen ohnehin zur Geldbörse wird, könnte es auch das Bezahlen an der Raststätte oder Fast-Food-Kette übernehmen.

Potenziale von In-Car-Payments im B2B-Bereich

Tanken oder Laden, Park- und Mautgebühren fallen unabhängig davon an, ob das Fahrzeug nun privat oder gewerblich genutzt wird. Auch bei den Autos von Logistik-, Paket- und Kurierdiensten fallen diese Gebühren regelmäßig an, ziehen aber einen enormen Verwaltungs- und Abrechnungsaufwand nach sich. Der ist so groß, dass das „Flottenmanagement“ eine zentrale Aufgabe in den Unternehmen ist. 

Mit In-Car-Payment bietet sich Logistikunternehmen die Chance, dass Transaktionen, die vom Fahrzeug ausgeführt werden, ohne großen Zeitverzug direkt in Abrechnungssystemen und Lösungen für das Flottenmanagement landen. Das erklärt, wieso sich diese Unternehmen für den Ansatz interessieren. 

Bezahlen an der Zapfsäule: Künftig direkt aus dem Auto

Hohe Bereitschaft für In-Car-Payments

Sind das alles fromme Wünsche und Ideen der Industrie und von Unternehmen? Das wollte MasterCard herausfinden und hat die GfK mit der Durchführung einer Befragung beauftragt. 46 Prozent der Autofahrer:innen in Deutschland können sich vorstellen, direkt über das Display im Fahrzeug einzukaufen und zu bezahlen. Die Befürworter:innen von In-Car-Payments würden auch die genannten Anwendungsszenarien begrüßen. Bei der Mehrheit stehen Parkgebühren (74 Prozent) sowie das Tanken von Autos beziehungsweise das Laden von Elektrofahrzeugen (72 Prozent) an oberster Stelle der Wunschliste. Viele können sich vorstellen, die Waschanlage (61 Prozent) oder Mautgebühren (58 Prozent) per Auto zu bezahlen.

Die Technik steht in den Startlöchern

Damit das In-Car-Payment zu einer alltäglichen Massenerscheinung werden kann, muss das Bezahlen mit und aus dem Auto genauso selbstverständlich werden wie das Bezahlen per Karte und Smartphone an der Kasse. Viele technische Komponenten sind bereits vorhanden, allerdings sind auch noch ein paar Detailfragen zu klären. 

Um etwa die Berechtigung für ein Abo zu prüfen oder schnell ein Karten-Upgrade durchführen zu können, muss das Auto jederzeit online gehen können. Und da hier einige Daten zu übertragen wären, muss das eine schnelle Verbindung sein. Genau das verspricht der 5G-Mobilfunkstandard, der aber derzeit noch nicht flächendeckend zur Verfügung steht. 

Drahtlose Übertragungstechniken für Zahlungsinformationen kennen wir alle aus dem Alltag. Die im Smartphone eingesetzte NFC-Technologie überbrückt aber nur kurze Distanzen. Aber mit Bluetooth Low Energy (BLE) oder Long-Range-RFID gibt es bereits Alternativen. 

Zudem sollte natürlich vermieden werden, dass jede Tankstellenkette ein eigenes Süppchen kocht. Hier werden aber sicherlich die großen Schemes und auch PSP eine wichtige Rolle spielen, um für kompatible Systeme zu sorgen. Nicht zu vergessen ist der Aspekt der Sicherheit, schließlich soll das Auto ja nur das bezahlen, was die Fahrer:innen wollen.

Aufwand und Energie, die von den Unternehmen in das Thema gesteckt werden, dürften sich lohnen. Denn bis zum Jahr 2030 sollen In-Car-Payments einen Umsatz von 537 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften. Davon gehen jedenfalls die Prognosen der Analysten der belgischen Ptolemus Group aus. 

Erste Projekte für In-Car-Payments 

Noch steckt das Thema In-Car-Payments in den berühmten Kinderschuhen: So haben Mercedes-Benz Mobility und VISA eine Partnerschaft geschlossen, um das Bezahlen im Fahrzeug voranzutreiben. Hyundai hat für das Modell Ioniq 5 ein Payment geschaffen, mit dem die Fahrer:innen nicht nur Parkplätze, sondern auch Lebensmittel bezahlen können. Und Škoda hat einen Service „Pay to Park“ an den Start gebracht. 

Wenn es also gelingt, dass Autohersteller, Infrastruktur-Anbieter (etwa Tankstellen) und die Payment-Anbieter an einem Tisch zusammenkommen, dann wird sich das Auto auch um das Bezahlen kümmern. 

Fazit

Auch wenn In-Car-Payment viele Möglichkeiten für mehr Komfort und Bequemlichkeit bietet, ist es eine Wette, ob und wann es von der breiten Masse genutzt werden kann. Immerhin dauert es fast ein Jahrzehnt, bis eine neue Technologie in der Masse Durchdringung hat, da Menschen ihr Auto im Durchschnitt zwischen 7 und 9 Jahren besitzen. Zudem gibt es Zweifel daran, ob das Auto tatsächlich als Wallet für Tanken, Parkgebühren und Straßenmaut genutzt wird. Stattdessen sieht die Zukunft von In-Car-Payment vielleicht eher in Vehicle-Commerce, also in der Bereitstellung von Value-Added Services wie Versicherungen, Pannenhilfe, Flottenmanagement und Finanzierungen.

Maik Klotz ist Berater, Sprecher und Autor zu den Themen Banking, Payment, Digital Identity, E-Commerce und Retail. Er wurde von der Süddeutschen Zeitung in der Serie „Impulsgeber“ der Branche porträtiert und moderiert und spricht auf vielen Branchen-Events. Maik ist Co-Founder von Payment & Banking.

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